Ausgrabung Aktuell

Der Archäo-Blog für die Region rund um Stade. Hier erfahren Sie stets, was es für Neuigkeiten rund um das Thema Archäologie gibt. Stadt- und Kreisarchäologie berichten gemeinsam mit dem Museum über neue Forschungen, Funde und aktuelle Ausgrabungen.

Ausgrabung | Zeitstufen: Völkerwanderungszeit / Mittelalter / Neuzeit | Daniel Nösler | 18.11.2014 Landkreis Stade

Das alte Dorf Oldendorf

Seit mehr als sechs Jahren führt die Kreisarchäologie umfangreiche Forschungen um und in der Oldendorfer Kirche St. Martin durch. In den Jahren 2009-2010 fanden in unmittelbarer Nachbarschaft der romanischen Kirche großflächige Ausgrabungen statt, denn auf dem erst 1871 entwidmeten Kirchhof sollte ein großer Verbrauchermarkt entstehen. Aus der Frühzeit des Ortes stammt die erste Belegungsphase mit zahlreichen Kopfnischen- und Sarggräbern, die nach den 14C-Daten im 11. Jh. begann. In allen neuzeitlichen Kindergräbern wurde ein mehr oder minder umfangreicher Kopfschmuck festgestellt. Ganz offensichtlich war es in Oldendorf noch bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jh. der Brauch, Kleinkindern, Mädchen und ledigen jungen Frauen eine Totenkrone mit in das Grab zu geben.

Die anthropologischen Ergebnisse sind erschütternd und werfen ein trauriges Bild auf die Lebenswirklichkeit vor etwa 150 Jahren. Durch die einseitige Ernährung, die vorwiegend aus Getreidebrei bestand, waren bei vielen Kindern Mangelerscheinungen zu beobachten. Die Folge waren eine geringe Körpergröße, verzögerte Entwicklung und erhöhte Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Die Kindersterblichkeit lag mit 50 % äußerst hoch, d.h. jedes zweite Kind starb vor dem Erreichen des 6. Lebensjahres. Besonders stark waren die Atemwegserkrankungen verbreitet, die bei mehr als der Hälfte der Bestatteten schwere Schäden in Nasen- und Kieferhöhlen hinterlassen hatten. Dies ist insbesondere auf die damaligen katastrophalen Wohnverhältnisse in den mit offenen Torffeuern beheizten Häusern zurückzuführen.

Im Jahr 2014 ergab eine umfassende Sanierung der Kirche die Möglichkeit, den Innenraum durch Georadarmessungen zu untersuchen. Dabei wurden die Apsis eines Vorgängerbaus, Grüfte und weitere Baubefunde entdeckt.