Für uns heute kaum noch vorstellbar: Vor nur wenig mehr als 150 Jahren fanden auch in unserer Region noch öffentliche Hinrichtungen statt. Das letzte Schauspiel des Schreckens im Amt Harsefeld fand am 31. Oktober 1842 statt. Mit dem Schwert hingerichtet wurde hier auf einem markanten Hügel die verurteilte Giftmörderin Anna Marlena Princk. Sie hatte zusammen mit ihrem jüngeren Geliebten ihren Ehemann mit Arsenik ermordet. Bis zu ihrer Hinrichtung musste die "Rote Lena" genannte Delinquentin drei Jahre im feuchten Kerker von Harsefeld einsitzen, von dem der Grundriss noch heute im Klosterpark sichtbar ist.
Öffentliche Hinrichtungen dienten der Abschreckung und waren gleichzeitig ein makabres Spektakel, das wie im Falle der "Roten Lena" Tausende Schaulustige anlocken konnte. In die Inszenierung eingebunden waren die Harsefelder Schulkinder, die vor und während der Hinrichtung fromme Lieder zu singen hatten.
Da im Umfeld Harsefelds keine Richtstätte mehr existierte, musste ein neuer Richthügel aufgeschüttet werden. Auf seinem Plateau wurde der Richtstuhl platziert, auf dem die Verurteilte festgeschnallt war. Nachdem der Scharfrichter sein tödliches Werk vollendet hatte, wurde der Leichnam direkt neben der Richtstätte bestattet. Nur wenige Jahre später wurde der Hügel eingeebnet und das Gelände in Ackerland umgewandelt.
Erst nach jahrelanger Detektivarbeit ist es gelungen, den Platz wieder zu entdecken. Da er durch die landwirtschaftliche Nutzung stark gefährdet war, führte die Kreisarchäologie im Oktober 2020 dort eine Ausgrabung durch. Bereits unterhalb der Ackerkrume zeichneten sich die Umrisse der Grabgrube ab. Überraschend war die doppelte Steinlage, die über dem Sarg platziert war. Ein großer Stein lag sogar unmittelbar auf dem Sargdeckel. Warum, zeigte sich unmittelbar beim Öffnen des Grabes: Er befand sich direkt über dem abgeschlagenen Schädel, den man nach der Hinrichtung kopfüber neben die Füße geworfen hatte. Offenbar spielte hier die vielfach überlieferte Furcht vor Wiedergängern eine große Rolle. Dieser Aberglaube blühte insbesondere an unheimlichen Orten wie den Richtplätzen, an denen die nicht in geweihter Erde bestatteten Toten angeblich keinen Frieden finden konnten.
Ein Filmteam von ZDF-History hat die Ausgrabung begleitet. Unsere Forschungen werden im Laufe des Jahres 2021 im ZDF und später auf Phoenix sowie ZDFinfo zu sehen sein. Berichte über die Grabung sind außerdem in der Hamburger Morgenpost, dem Stader Tageblatt, P.M. History und BILD zu finden.
In den Jahren 2008 und 2009 führte die Stader Kreisarchäologie größere Ausgrabungen auf dem berühmten kaiserzeitlichen Urnengräberfeld von Apensen durch, da der Platz durch die landwirtschaftliche Nutzung stark gefährdet war und ist. Dabei wurden Hunderte Bestattungen entdeckt. Nur wenige Urnen waren noch so gut erhalten, dass sie annähernd komplett geborgen werden konnten. Diese so genannten Blockbergungen wurden dabei auf der Grabung fixiert und danach in das Fundmagazin verbracht.
Zur Bearbeitung dieser besonderen Funde sollte zu Beginn des Jahres nun ein gemeinsames Projekt mit der Arbeitsgemeinschaft Archäologie des Stader Geschichts- und Heimatvereins beginnen. Allerdings waren in den Räumlichkeiten der Kreisarchäologie die coronabedingten Abstandsregelungen nicht einzuhalten und das Projekt so nicht umsetzbar.
Das Mitglied der AG Franz Kraus, der in der Geschäftsführung des Feriendorfes Altes Land tätig ist, kam auf eine rettende Idee! Ein komplett eingerichtetes und ausreichend großes Zelt, das sonst für gesellige Runden genutzt wurde, wurde durch ihn als Ausweichquartier vorgeschlagen. Dort besteht genügend Platz, um die Abstände einhalten zu können. Außerdem ist die Frischluftzufuhr garantiert. Eine Heizung ermöglicht den Fortgang der Arbeiten auch bei den herbstlichen Temperaturen.
Es wurden bereits zahlreiche Urnen bearbeitet. Dabei wird der Leichenbrand separiert, um später anthropologisch bearbeitet werden zu können. Ab und an finden sich in den Gefäßen Metallbeigaben, die natürlich besonderes Interesse hervorrufen. Auch die Keramikgefäße sind zum Teil reich verziert.
Für das großartige ehrenamtliche Engagement danken wir den teilnehmenden Mitgliedern der AG und dabei insbesondere Franz Kraus sowie den Mitarbeitern der Feriendorf Altes Land Verwaltungsgesellschaft mbH in Hollern-Twielenfleth, ohne die das Vorhaben so nicht umsetzbar gewesen wäre.